"Es fühlt sich an wie meine persönliche Sicherheit"
Gespräch mit dem DRK-Kreiskonventionsbeauftragten zum 70-jährigen Bestehen des vierten Genfer Abkommens "Selbst im Kriege und dem Feinde gegenüber müssen die Menschen gewissen Vorschriften der Menschlichkeit beachten." Diese Vorschriften finden ihren besonderen Ausdruck in den nahezu weltweite anerkannten vier Genfer Abkommen von 1949 samt Zusatzprotokollen aus späteren Jahren.
Damit Teilnehmer bewaffneter Konflikte die Regeln des humanitären Völkerrechts im Ernstfall kennen und umsetzen können, gehört die Verbreitung des Wissens zu den Aufgaben der derzeit 196 Vertragsstaaten der Genfer Abkommen. Auch die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung ist in besonderer Weise für die Verbreitung verantwortlich. Sie vermittelt die Bedeutung des humanitären Völkerrechts und treibt seine Weiterentwicklung voran. Das Deutsche Rote Kreuz hat sich nicht nur die Verbreitungsarbeit zur Aufgabe gemacht, sondern wurde auch ausdrücklich von der Bundesregierung hiermit beauftragt.
Die Vermittlung von Wissen über das Humanitäre Völkerrecht übernimmt auf Kreisebene der ehrenamtlich bestellte Kreiskonventionsbeauftragte. Im DRK-Kreisverband Weserbergland heißt dieser seit knapp einem Jahr Michael Lück.
Das vierte Genfer Abkommen - über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten - wird am 12. August 70 Jahre alt. Ein guter Anlass, um Michael Lück besser kennenzulernen.
Vor 29 Jahren ist der 41-Jährige dem Jugendrotkreuz beigetreten, seit 14 Jahren leitet er die DRK-Bereitschaft Bakede. Lück ist verheiratet, hat drei Kinder. Auch seine Frau ist Rotkreuzlerin mit Leib und Seele.
"Herr Lück, was verbinden Sie persönlich mit den Genfer Abkommen?"
Lück: "Als ich 1994 in die Bereitschaft wechselte, erhielt ich auf einem Sanitätslehrgang mein erstes Buch über die Genfer Abkommen. Zwei Jahre später reiste ich im Rahmen eines humanitären Einsatzes in das ehemalige Jugoslawien. Es herrschte Bürgerkrieg. Ich hörte die Einschläge von Raketen. Ich hatte das kleine Büchlein dabei. Es fühlte sich für mich an wie meine persönliche Sicherheit. Obwohl ich mich damals mit seinem Inhalt noch gar nicht richtig auseinandergesetzt hatte."
"Wie denken Sie mit erweitertem Wissensstand darüber?"
Lück: "Die Genfer Abkommen haben nichts an ihrer Bedeutung verloren. Deshalb habe ich mich auch dafür entschieden, die Aufgabe des Konventionsbeauftragten anzunehmen. Zwar sind konkrete Passagen der Genfer Abkommen für meine Generation und die nachfolgenden sehr abstrakt, denn wir wissen zum Glück nicht, was Krieg bedeutet. Doch schon Gespräche mit Geflüchteten relativieren diese Abstraktheit wieder: Wir können die Kriegserlebnisse nicht nachvollziehen, aber wir können mitfühlen."
"Wie wirkt sich diese Erkenntnis auf Ihre Arbeit als Konventionsbeauftragter aus?"
Lück: "Meiner Meinung nach darf sich die Arbeit nicht allein auf die Verbreitung der Genfer Konventionen konzentrieren. Das humanitäre Völkerrecht lässt sich vereinfacht gesagt zusammenfassen in Menschlichkeit, Respekt und Nicht-Diskriminierung. Also in Werte, die eigentlich selbstverständlich sein sollten in unsere alltäglichen Miteinander. Ich verstehe meine Aufgabe deshalb darin, diese Werte im Alltag vorzuleben und zu vermitteln."
Der DRK-Kreisverband Weserbergland hat rund 900 Mitarbeiter im hauptamtlichen Bereich und rund 14.000 Mitglieder in 110 Ortsvereinen in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Holzminden. Das DRK rettet Menschen, hilft in Notlagen und steht Armen und Bedürftigen bei.